Eine autobiographische Anekdote über skandinavischen Charme & den ganz normalen Alltagswahnsinn
»Wer ist denn Neil Prep?«
Mit dieser Frage beginnt mein neues Alltagsabenteuer, mit dem ich versuche, meine spärlich vorhandene Kochkunst aufzuwerten. Ich bin nicht die Mutter, die mittags um zwölf mit allerei Köstlichkeiten – natürlich gesund und kindergaumenfreundlich – aufwartet. Ich warte im besten Fall mit … nun ja, nichts auf. »Iss ein Müsli«, »Guck in den Kühlschrank« und »Brot oder Brei?« sind meine beliebtesten Strategien, um den gefürchteten Jetzt-Hunger nicht in seinen noch viel fürchterlicheren Kompagnon zu verwandeln: den Jetzt-Hunger-aber-so-schlimm-dass-ich-nix-mehr-esse, der im besten Fall nur noch Türen knallt, rumplärrt und das Haus auseinandernimmt.
Ich pflüge also stundenlang durch sämtliche Meal-Prep-Videos, die ich finden kann, und lade Freebies herunter. Zwischendurch hält mein Lebensgefährte mir sein Telefon hin. Geistesabwesend registriere ich das Foto eines mir unbekannten Typen.
»Rate mal, wer das ist!«
»Neil Prep?«
Grunzend vor Lachen swipet er weiter auf seinem Telefon herum. Ich habe mich derweil entschieden, auf welches Meal-Prep-Abenteuer ich mich begeben werde. Es ist vegan, bunt und ich rieche bei geschlossenen Augen schon den Duft der vielen Gewürze. Als ich die Augen wieder öffne, glotzt mich ein anderer Typ aus dem Telefon meines Lebensgefährten an.
»Und das ist übrigens O’Neil Prep!«
»Ich gehe einkaufen«, verkünde ich schließlich. Alle Zutaten habe ich bereits feinsäuberlich aufgelistet. Ich freue mich auf die erste Etappe meines neuen Unterfangens – und das, obwohl ich einkaufen hasse!
Der Einkauf verläuft nach Plan, ich hake eine Sache nach der anderen ab. Am Ende steht nur »Tofu« auf meiner Liste. Ich schreite die Regale ab, werde jedoch nicht fündig.
»Entschuldigung«, spreche ich eine Mitarbeiterin an, die gerade Dosen mit Bohnen ins Regal einsortiert. »Habt ihr Tofu?«
»Torfü?«
»To-Fu.«
»Was ist das?«
Ich erkläre es ihr und ernte verwirrte Blicke. Sie beginnt, in ihr Headset zu sprechen: »Haben wir Torfü? Hackfleischersatz.«
Fleischersatz, habe ich doch gesagt, denke ich, sage aber erst mal nichts.
»Steht der gekühlt?«, fragt sie mich.
»Manchmal ja, manchmal nein. Ich hatte ihn schon mal bei den asiatischen Waren gefunden, aber heute nicht.«
»Hm.«
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verlässt sie den Gang. Ich bleibe unschlüssig zurück – soll ich ihr jetzt folgen oder hier warten? Ich folge ihr schließlich, da kommt sie mir schon mit einer weiteren Mitarbeiterin im Schlepptau entgegen. Ich erkläre mein Anliegen erneut.
»Hast du ein Foto? Das hilft oft.«
Ich suche ein Tofu-Foto heraus und zeige es ihr.
»Was war das nochmal?«
Da stößt ein dritter Mitarbeiter zu uns. Er drückt auf seinem Telefon herum, dann zeigt er mir ein Foto.
»Diesen?«
Ich nicke, die zweite Mitarbeiterin stößt ein wissendendes »Aaaahhhhh« aus und fügt hinzu: »Den hab ich schon mal eingeräumt. Bei den Asienwaren!«
Wir schlendern zu viert zum Asienregal und stellen uns nebeneinander davor, scannen das gesamte Regal ab. Acht Augen sehen mehr als zwei, so viel ist sicher.
»Den haben wir wohl nicht mehr«, konstatiert Mitarbeiterin eins.
»Nein, vor einiger Zeit haben sie viele Sachen dieser Marke aus dem Sortiment genommen«, fügt Mitarbeiter drei hinzu.
»Hab auch keine Ahnung, wo es sowas geben könnte … Torfü …«, sagt Mitarbeiterin zwei.
»Kein Problem«, sage ich. »Ich schau mich einfach woanders um.« Nachdem ich mich herzlich für ihr Bemühen bedankt habe, löst die hilfsbereite Kleingruppe sich auf. Ich bezahle und versuche es noch in zwei weiteren Läden: erfolglos.
Meal Prep ohne Tofu geht aber nicht, beschließe ich, und fahre weiter in die nächstgelegene Stadt. Dort ergattere ich zwei Päckchen Tofu zum stolzen Stückpreis von acht Euro dreißig und fahre meine Beute endlich nach Hause. Auf der Fahrt muss ich immer wieder lächeln, als ich an die drei netten Mitarbeiter*innen denke. Ihr Engagement legt sich wie ein weiches Tuch um mein Herz, Wärme breitet sich in mir aus. Ich nehme mir vor, in Zukunft öfter dort einkaufen zu gehen, und nicke mir zu. So geht Kundenbindung! Und wer weiß? Vielleicht nehmen sie den Torfü ja wieder ins Sortiment auf.