Vor unserem Haus liegt eine Weide, auf der im Sommer Schafe grasen. Sie liegt nur 0.4 m über dem Meeresspiegel. Wenn Springflut ist, verwandelt sich die über Rohre mit dem Meer verbundene Weide in eine Wasserfläche. Das passiert immer häufiger. Irgendwann wird sich vor unserem Haus dauerhaft ein See erstrecken. Wir scherzen damit, dass wir dann Enten kaufen und eine Brücke bauen werden, damit wir unser Grundstück noch trockenen Fußes erreichen können. Und wir sind froh, dass unser Haus auf einem Hügel liegt.
Ja: Wir scherzen. Aber im Wasser unseres Manchmalsees spiegelt sich auch die Veränderung des Klimas. Mit ihm wandelt sich die Natur – und wir.
In Romanen trennen wir Figuren und Schauplatz, aber geht das? In einem Schreibratgeber las ich vor vielen Jahren, dass beides zusammengehört. Bei mir ist es ebenso: Wenn ich schreibe, entstehen die Figuren zusammen mit ihrer Umgebung.
Der Mensch lebt nicht in der Natur, er ist die Natur. Auch wenn er dabei ist, den Ast abzusägen – nicht, auf dem er sitzt, sondern der er ist.
Er sägt sich selbst ab.
Vielleicht werden die Figuren erst im großen Finale ihre wahre Natur erkennen: im Fall. Es wäre ein grandioses Finale, in dem der Held sich am Ende doch noch selbst findet – und verloren ist.
Zum Glück ist die Welt kein Roman. Sie braucht kein Ende. Ich bleibe, trotz allem, hoffnungsvoll – und freue mich auf die Hühner, die statt Enten in Zukunft bei uns einziehen werden. Aber nicht auf die Wiese. Sicher ist sicher.