Hier herrscht Stille. Sie ist fast absolut, manchmal blökt ein Schaf dazwischen, ein Vogel zwitschert. Oder es knackt in den Zweigen, raschelt im Laub. Es ist friedlich und so ruhig, dass die Spannung von mir abfällt wie eine dicke Mauer, die einfach umkippt. Lautlos staubend.
Darf ich das genießen?
Ich sitze am Schreibtisch, neben mir die Hemingway-Tasse, aus der Kaffeeduft aufsteigt. Ich schließe die Augen. Da ist dieser Moment: kurz, bevor ich den ersten Schluck trinke.
Darf ich das genießen?
The first draft of anything is shit. Aus der Tasse trinke ich besonders gerne, während ich an der Erstfassung meiner Texte arbeite. Mich auf die Geschichte einlasse und darin versinke. Die Welt für die Dauer des Schreibens ausblende.
Darf ich das genießen?
Ich denke, die Antwort muss JA lauten. Der Mensch braucht Kunst, auch und besonders in schweren Zeiten.
Dieses JA aus vollem Herzen fällt mir dennoch schwer. Ich widme mich Kunst, während andere Menschen leiden. Um ihr Leben kämpfen. Der Kontrast ist manchmal schwer zu ertragen.
Trotzdem mache ich weiter. Ich müsste wahnsinnig sein, dieses Geschenk nicht anzunehmen: als Frau heutzutage hier leben, schreiben können, schreiben dürfen. Frei sein in meinem Wunsch, Kunst auf meine Art zu erschaffen.
Kann ich den Schmerz der Welt in mein Herz lassen und so meiner eigenen Freiheit mit Ehrfurcht begegnen?